30 Jahre nach Gladbecker Geiseldrama: Landtag bittet mit Gedenkrede des Präsidenten und einer Resolution um Verzeihung für Versäumnisse

Fast auf den Tag 30 Jahre ist es her, dass beim Geiseldrama von Gladbeck drei Menschen ums Leben kamen. André Kuper, Präsident des Landtags, hat in der ersten Plenarsitzung nach dem Jahrestag am Mittwoch den Opfern gedacht. „Das Geiseldrama von Gladbeck bewegt bis heute viele Menschen und hat eine breite Debatte über Fehler und Verantwortung von Politik, Polizei und Medien ausgelöst“, sagte Kuper zu Beginn der Plenardebatte stellvertretend für die Fraktionen im Landtag.

„Wenn wir heute im Landtag an das Geschehene erinnern, dann kann es uns nicht um Besserwisserei gehen“, erklärte der Landtagspräsident. „Aber es muss uns darum gehen, zu fragen, was – nicht nur uns, sondern den Menschen im ganzen Land – das Gefühl gibt, dass hier Grenzen überschritten wurden. Dann müssen wir danach fragen, was wir tun können, dass so etwas so nicht wieder möglich ist.“

Die problematische Rolle der Medien und die politische Aufarbeitung des Falls hätten dazu beigetragen, dass die Opfer der Geiselnahme und die Hinterbliebenen vom Staat weitgehend unbeachtet geblieben seien, sagte Landtagspräsident André Kuper. „Dies erscheint im Nachhinein unverständlich, und es ist unverzeihlich.“ Es sei dringend an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen. „Ich rufe alle politischen Kräfte dazu auf, Verantwortung zu übernehmen für ihr Handeln, aber auch für ihre Worte und für den Zusammenhalt der Gesellschaft“, so der Landtagspräsident. André Kuper bat im Namen der NRW-Politiker die Angehörigen um Verzeihung für die Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Geschehnisse.

Nach einer Gedenkminute verabschiedete der Landtag einstimmig mit den Stimmen von CDU, FDP, SPD, Grüne sowie AfD und fraktionslosen Abgeordneten eine Resolution, in der sich die Politiker zu den Fehlern der Einsatzkräfte und zur Verantwortung des Landes Nordrhein-Westfalen bekannten. Desweiteren forderte der Landtag die Landesregierung auf, die vorhandenen Opferschutzstrukturen weiterzuentwickeln und die Empfehlungen des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz umzusetzen.

Hintergrund

Am 16. August 1988 überfielen Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner die Filiale einer Bank in Gladbeck. Auf der Flucht brachten sie mehrmals Geiseln in ihre Gewalt. Die Irrfahrt führte zwei Tage lang durch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen und die Niederlande, bis die Geiselnahme am 18. August durch einen SEK-Zugriff auf der A 3 bei Bad Honnef beendet wurde. Drei Menschen kamen dabei ums Leben.

Das Geschehen steht exemplarisch für mediale Grenzüberschreitung und Versagen bei Polizei und Behörden. Medienvertreter ließen sich von den Geiselnehmern instrumentalisieren, führten Interviews mit den Tätern und behinderten die Arbeit der Polizei. Die Einsatzleitung der Polizei ließ dies zu, weil sie mehrere Möglichkeiten verstreichen ließ, die Geiselnahme zu beenden. Es zeigten sich zahlreiche organisatorische und strukturelle Mängel im Polizeieinsatz, die die zuständigen Leitungsebenen zu verantworten hatten.